Irrtümer in der Studienwahl – Betriebswirtschaftslehre

Irrtümer in der Studienwahl - BetriebswirtschaftslehreUm Betriebswirtschaftslehre (BWL) ranken sich ähnlich viele Mythen wie um Jura. Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass man mit BWL nichts falsch machen kann, weil die Möglichkeiten hinterher so zahlreich sind und man eine breite Ausbildung genießt. Meist handelt es sich hier um das Gedankengut meiner Generation, also der Eltern meiner jugendlichen Kunden. Vor 20 oder 30 Jahren hatte dieser Glauben auch noch seine Berechtigung, heute jedoch nicht mehr. Ich will Ihnen erklären, warum.

Unser Leben wird immer komplexer und Veränderungen kommen immer schneller. Damit werden auch die Anforderungen an die Unternehmen immer komplexer, sodass die Ansprüche der Unternehmen an die Hochschulabsolventen ebenfalls steigen. Die Unternehmen benötigen heute, vielmehr als früher, bereits gut ausgebildete Spezialisten mit entsprechender Praxiserfahrung. Für Learning-by-doing ist viel weniger Zeit als noch vor 20 Jahren. Darauf haben sich auch die Hochschulen eingestellt und bieten heute unzählige BWL-Studiengänge an, die auch spezialisierte Themen umfassen.

Es ist keineswegs so, dass ich Betriebswirtschaft in meiner Berufsberatung nicht empfehle. Dieses Fach hat auch heute noch eine Berechtigung, aber ich arbeite sehr deutlich heraus, ob ein BWL-Studium wirklich passend ist (das kann auch u.a. International Management heißen) oder ob sich mein Kunde nicht vielmehr in wirtschaftslastigen Studiengängen wohlfühlen wird, die von vornherein auf Themenbereiche spezialisiert sind, die ihn vor allem interessieren und für ihn daher viel besser passen.

Sie sollten sich klar machen, dass Sie nach einem BWL-Studium am ehesten unterkommen werden, wenn Sie bereit sind, sehr zahlenlastig zu arbeiten, also in den Bereichen Controlling oder Finanzwesen, als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer.

Wer von sich sagen kann, dass er das nicht möchte, der sollte die Finger von diesem Studium lassen. BWL ist ein staubtrockenes Studium – vielmehr, als es Jura je sein wird, weil Sie im Jura-Studium ständig anschauliche Fälle bearbeiten. Wenn Sie dann auch noch „didaktische Schnarchnasen“ als BWL-Dozenten haben, von denen sich die schlimmsten an den Unis tummeln, quälen Sie sich unnötig durch ein Studium, das Ihnen anschließend nicht einmal attraktive Arbeitsperspektiven bietet.

Ich habe nicht selten junge Menschen vor mir sitzen gehabt, die an der LMU in München BWL studiert hatten und anschließend über längere Zeit keinen Job fanden. Von mir wollten sie dann wissen, ob sie irgendetwas falsch gemacht hätten, ob die Bewerbungsunterlagen einfach nur schlecht wären oder ob sie noch ein ganz anderes Studium benötigen würden. Wenn ich mir dann den Lebenslauf und die Fächer angeschaut habe, konnte ich immer nur antworten: „Ich würde Dich als Personaler auch nicht einstellen.“ Denn hier war schon im Vorfeld alles falsch gemacht worden, was man sich nur vorstellen kann.

Es gibt drei ganz typische, große Fehler im Zusammenhang mit dem BWL-Studium:

1. Keine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Fach an sich.
Den jungen Leuten war nicht viel eingefallen, was sie denn nach dem Abi hätten studieren können. Für Architektur konnten sie nicht gut genug zeichnen, außerdem waren die Arbeitsaussichten mies, für Medizin und Psychologie hatte die Abinote nicht ausgereicht, und im Vergleich zu Jura erschien ihnen BWL „irgendwie“ besser. Mehr als die paar Klassiker war ihnen nicht eingefallen. Unterstützt von den Eltern, die ebenfalls keine Ideen hatten, außer, dass „der Junge studieren soll“ (wahlweise natürlich auch die Tochter des Hauses) war die Entscheidung für BWL gefallen.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Fach, auch mit den eigenen Talenten, Fähigkeiten und Wünschen, hätte womöglich ergeben, dass Marketing den eigenen Neigungen mehr entspricht oder auch Personalmanagement.

So höre ich zum Beispiel immer wieder von Absolventen, dass es im Marketing keine Jobs gibt. Das stimmt nicht, aber die verantwortlichen Entscheider wollen keine Generalisten, die während ihres Studiums ein oder zwei Semester mal etwas von Marketing gehört haben, sondern Leute, die über Jahre hinweg in diesem überaus komplexen Thema speziell ausgebildet wurden. Ähnliches gilt auch, wenn Sie in den Bereich Personalmanagement gehen wollen.

2. Keine hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage, an welcher Hochschule man Betriebswirtschaft studieren sollte.
Zunächst sollte man sich die Frage stellen, ob Uni oder FH. Ich kann es gar nicht oft genug betonen: BWL an einer Uni zu studieren, macht nicht sehr viel Sinn, da man an den Anforderungen des Mittelstands in Deutschland vorbei studiert. Der Mittelstand, zu dem sich mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland zählen, wollen hauptsächlich Bachelor-Absolventen von der FH, weil diese jung, noch formbar, relativ günstig und sofort einsetzbar sind. Wer hier mit einem BWL-Studium von der Uni kommt, hat heute eher schlechte Karten, weil er zwar viel gelernt, aber von „Tuten und Blasen“ immer noch keine Ahnung hat.

Aber auch große Konzerne haben überhaupt kein Problem, FH-Absolventen einzustellen, hat sich doch mittlerweile auch hier herum gesprochen, dass diese eine exzellente Ausbildung genossen haben.

Etwas anders mag das aussehen, wenn man eine „Spitzenkarriere“ machen möchte, wobei ich mich immer frage, wie man in diesem Zusammenhang „spitze“ und „Karriere“ definiert, aber das ist einen eigenen Artikel wert. Fakt ist aber: Die großen Unternehmensberatungen wollen Leute von der Uni mit einem glänzenden Abschluss (das muss auch mittlerweile kein Master mehr sein), wobei völlig egal ist, was derjenige studiert hat. Das kann Medizin ebenso sein wie Wirtschaft, Theologie, Chemie oder was auch immer. Wer weiß, dass er definitiv nicht in eine der klassischen Strategieberatungen wie Roland Berger, McKinsey und wie sie alle heißen, möchte, der sollte besser an eine der herausragenden Fachhochschulen dieses Landes gehen.

3. Kein eigener strategischer Masterplan, wie man die Studienzeit aktiv nutzt, um sich auf die Arbeitswelt vorzubereiten.
Was die Unternehmen immer wieder bemängeln, ist die mangelnde Praxiserfahrung der Hochschulabsolventen. An den Unis wird trockene, theoretische Lehre von oben nach unten diktiert, nach sechs Semestern ist der Bachelor erledigt, der Rest ist egal. Den Unis zumindest… Bei den wenigsten sind längere Praxiszeiten vorgesehen oder die Notwendigkeit eines mehrmonatigen Praktikums. Das haben die Fachhochschulen mit ihren Praxissemestern oder auch Auslandssemestern wesentlich besser geregelt. Wer unbedingt an einer Uni studieren will, dem rate ich dringend, vorher eine kaufmännische Lehre zu absolvieren. Am besten eignet sich hier der Industriekaufmann. Mit dieser Ausbildung hat man alles, was es braucht, um für den Arbeitsmarkt nach Uni-BWL-Studium fit zu sein.

Wer über zu viel Standesdünkel verfügt, und das nicht möchte, dem rate ich dringend, ein Urlaubssemester einzulegen, in dem er in einem Unternehmen seiner Wahl über sechs Monate in einer Abteilung arbeitet, die ihn interessiert. Wobei sich diejenigen, die sich, nur weil sie Abitur haben, für „etwas besseres“ halten und daher keine Ausbildung machen wollen, auch fragen müssen, mit welcher Geisteshaltung sie ihren späteren Kollegen begegnen, die über kein Studium verfügen.

Die Vorurteile gegenüber einer Ausbildung (vor einem Studium) stecken tief und sind wohl nur schwer auszurotten…

Wer all diese Punkte berücksichtigt hat und dann immer noch BWL wählt, der sucht sich die besten Hochschulen aus den Rankings heraus und wählt dann die aus, die die individuell interessantesten Schwerpunkte anbieten. Dann kann aus Betriebswirtschaftslehre mit großer Wahrscheinlichkeit ein freudvolles Studium mit überdurchschnittlich guten Arbeitsaussichten werden.

Bildnachweis: © YanLev – Shutterstock.com

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