So mancher wird sich fragen, was Etikette mit Berufsberatung zu tun hat. Auf dem ersten Blick mag da kein Zusammenhang bestehen, bei näherem Hinsehen sehr wohl! Denn was nützt die beste Beratung, wenn man hinterher den Traumjob nicht bekommt, weil man an ganz anderen Dingen scheitert? Im Verlauf meiner Hunderten von Beratungen musste ich feststellen, dass über 80 Prozent meiner Kunden hier teils erhebliche Mängel bei den Tischmanieren aufweisen. Die meisten wissen nicht einmal, wie man eine Gabel korrekt hält, sondern halten diese, wie eine Forke zum Ausmisten. Daher ist mir dieses Thema ein Herzensanliegen und auch einen Artikel wert.
Die Wurzeln unserer heutigen Tischetikette reichen bis ins Mittelalter zurück. Zunächst nur unter Adeligen gepflegt, wurde ab dem 15. Jahrhundert auch der Bürger zum guten Benehmen erzogen. Nachdem sich viele Etikette-Regeln mittlerweile gelockert haben, stellt sich die Frage, wie wichtig diese heute noch sind. Viele Tischregeln haben jedoch gute Gründe, und da gerade Tischmanieren unübersehbare Verhaltensformen sind, werden sie häufig als Maßstab für gutes Benehmen schlechthin genommen. Wer keine guten Tischmanieren hat, dem wird gleichzeitig unterstellt, dass auch die weiteren Umgangsformen zu wünschen übrig lassen. Aus diesem Grunde werden im Rahmen von Bewerbungsgesprächen die Bewerber für höhere Positionen von den Arbeitgebern gern zum Essen eingeladen. Diese Art der Erweiterung von Einstellungsgesprächen ist immer mehr im Kommen.
Mit einem harmlosen Satz wie „Ach, lassen Sie uns doch heute Abend bei einem gemeinsamen Essen noch die Einzelheiten des Vertrages besprechen“, wird zum Essen eingeladen. Was sich hier als ein gemütliches Beisammensein unter Freunden anhört, ist jedoch eine knallharte Probe, wie sich ein Bewerber auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt und ob er „kundentauglich“ ist.
Wer da nicht die Etikette und Spielregeln bei Tisch kennt, hat in den meisten Fällen schon verloren. Denn hier offenbart sich ganz schnell, wer Stil und eine gute Erziehung genossen hat und wer nicht. Eigentlich sollte man erwarten können, dass insbesondere die Klientel, zu der meine Kunden gehören, es als Selbstverständlichkeit ansieht, Kindern von klein auf gutes Benehmen bei Tisch beizubringen. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Aber es gibt auch zunehmend Eltern, die ihre Kinder in Etikette-Seminare schicken, damit sie das gute Benehmen lernen.
Der Spruch meiner Urgroßmutter, die 1898 geboren wurde und somit unter Kaiser Wilhelm II. groß wurde und bis zu meinem Abitur unter uns weilte, hat mich seit meiner Kindheit geprägt: Wenn du zu Hause isst wie beim Kaiser, dann kannst du beim Kaiser essen wie zu Hause.
Hier kommen für alle, die schon für das nächste Essen wissen wollen, was richtig ist, die 16 wichtigsten Tischetikette-Regeln, die Sie beherrschen sollten:
• Pünktliches Erscheinen ist Pflicht. Sollte man feststellen, dass man sich – aus wichtigem Grund – verspätet, informiert man rechtzeitig den Gastgeber. Pünktliches Erscheinen bedeutet aber auch, auf keinen Fall zu früh zu kommen, da das zu Hektik oder peinlichen Situationen beim Gastgeber führen kann.
• Hat man eine Einladung in den Privaträumen erhalten, so ist das Mitbringen von Blumensträußen für die Hausherrin zwar als nette Geste gedacht, aber ein absolutes No go! Die Hausherrin muss die Gäste begrüßen; wenn sie dann damit beschäftigt ist, Blumen entgegenzunehmen, geeignete Vasen zu finden und die Arrangements auch noch entsprechend wertschätzend zu platzieren, kommt das einer völligen Überforderung gleich. Wer unbedingt Blumen verschenken möchte, verschickt diese am Vortag über Kurier oder am Tag nach dem Essen zusammen mit einer schönen Dankeskarte.
• Parfüm, Aftershave oder Deo immer nur sehr sparsam auflegen, da diese Gerüche den Genuss des Essens stören.
• Das Handy wird grundsätzlich abgestellt. Für Notfälle gibt man die Telefonnummer des Gastgebers an oder gibt das Handy im Restaurant beim Oberkellner ab. Falls es klingeln sollte, informiert dieser den Gast.
• Wenn es einen Aperitif gibt, nehmen Sie diesen immer mit der linken Hand! Wenn Sie jemanden per Handschlag begrüßen wollen, müssten Sie andernfalls das Glas erst von der rechten in die linke Hand bugsieren, die rechte ist dann aber kalt vom Getränk und meist feucht vom Glas…
• Gläser werden immer am Stiel festgehalten und nicht am Bauch.
• Das Besteck auf dem Tisch wird von außen nach innen benutzt. Achtung: eine gastronomische Regel besagt, dass rechts nicht mehr als vier Bestecke, links nicht mehr als drei Bestecke liegen. Oben liegen höchstens zwei, in Ausnahmefällen drei Bestecke. Benötigt man für das Menü mehr, muss vom Servicepersonal nachgedeckt werden.
• Vor jedem Schluck wird der Mund mit der Serviette abgetupft. Wenn Sie in einer weniger feinen Lokalität sitzen, mag das übertrieben sein, in einem feinen Restaurant allerdings nicht. Im Zweifel achten Sie auf Ihren Gastgeber.
• Die Serviette wird auf den Schoß gelegt und nicht neben den Teller! Wer allerdings aufstehen muss und seinen Platz verlässt, legt die Serviette links oder rechts neben seinen Teller und drapiert sie anschließend wieder auf dem Schoß.
• Ellbogen gehören nicht auf den Tisch, stattdessen gehören die Hände auf den Tisch und nicht in den Schoß!
• Die Beine befinden sich parallel nebeneinander und werden nicht übereinander geschlagen oder um Tisch- oder Stuhlbeine gewickelt.
• Das Essen beginnt, wenn der Gastgeber zur Serviette greift oder zum Gruß sein Glas erhebt.
• Der Brotteller befindet sich immer links! Sollte Ihr linker Tischnachbar sich an Ihrem eigenen Teller vergriffen haben, machen Sie diesen selbstverständlich nicht auf seinen Fehler aufmerksam und nehmen Sie selbstverständlich auch nicht den Teller Ihres Nachbarn zu Rechten. In sehr guten Lokalen ist das Missgeschick dem aufmerksamen Kellner entweder selbst aufgefallen und er wird für Ersatz sorgen, oder Sie machen ihn über Augenkontakt auf sich aufmerksam und bestellen einen neuen Teller. Zur Etikette gehört auch, dass der andere nie sein Gesicht verliert!
• Apropos Augenkontakt: Weibliche Servicekräfte werden nicht mit „Fräulein“ angesprochen (das ist völlig überholt und hat auch etwas Herablassendes), bei männlichem Personal „Herr Ober“ zu rufen ist zwar nicht unüblich, aber auch nicht schön. Am besten ist es, Augenkontakt mit dem Personal zu suchen und durch eine kleine Bewegung auf sich aufmerksam zu machen.
• Brot oder Brötchen werden nicht einfach bestrichen, um dann herzhaft hineinzubeißen! Mit dem Brotmesser wird zunächst etwas Butter, Schmalz oder anderer Brotaufstrich auf den eigenen Teller gegeben. Dann nimmt man ein Stück Brot auf den eigenen Brotteller und bricht davon ein kleines Stück ab. Dieses wird sodann bestrichen und ohne abzubeißen direkt verzehrt. Das nennt sich auch die Bröckchen-Technik.
• Gabeln werden übrigens immer in der linken Hand zwischen Zeige- und Mittelfinger gehalten, der Daumen fixiert die Gabel etwas weiter oben. Wird die Gabel mit den Zinken nach unten gedreht, um etwas festzuhalten beispielsweise beim Fleischschneiden, dann liegt sie auf den unteren Enden von Mittel-, Ring- und kleinem Finger, während der Daumen die Seite der Gabel und der Zeigefinder die Gabel von oben fixiert.
• Wer vorab als Aperitif Oliven bestellt, der legt den Kern dezent in der Hand ab und befördert diesen auf ein Abfalltellerchen. Sind Oliven Bestandteil des Hauptgerichts, wird der Kern über die Gabel auf den Tellerrand befördert.
• Wenn Sie Ihr Essen oder den jeweiligen Gang beendet haben, legen Sie Ihr Besteck parallel zueinander in 20-nach-vier-Stellung auf den Teller – also so, wie die Zeiger auf der Uhr bei 16:20 Uhr liegen. Haben Sie nur eine kleine Pause eingelegt, dann liegt das Besteck über Kreuz. So kann der Kellner auf dem ersten Blick erkennen, ob er abräumen darf oder nicht.
Wenn Sie diese Regeln ab jetzt beherzigen, brauchen Sie auch keiner Einladung mehr mit Unbehagen entgegen zu sehen und können sicher sein, sich nicht bis auf die Knochen zu blamieren. Und was man auch nicht vergessen sollte: Mit Humor und Herzlichkeit kann man sehr viel wettmachen!