Dialekte wirken im privaten Umfeld vertraut, daher sehen viele Arbeitnehmer nicht die Notwendigkeit, Hochdeutsch zu lernen. Erst mit den höheren Positionen ändert sich die Einstellung, denn dann zeigt sich: Dialekte sind Karrierekiller auf der beruflichen Ebene.
Wer kein Hochdeutsch spricht, hat es oft schwer, denn mit einem ausgeprägten Dialekt muss man damit rechnen, von seinen Gesprächspartnern nicht für voll genommen zu werden. Da wir in der Schule alle Deutsch – und damit Hochdeutsch – lernen, sollte man eigentlich meinen, das sei kein Problem. Weit gefehlt! Unglücklicherweise werden mit Dialekten bestimmte Eigenschaften verbunden, und solche Stereotype halten sich hartnäckig – egal ob berechtigt oder nicht. Ich war schon sehr überrascht, dass es in Bilderdatenbanken so gut wie keine Bilder gibt von Bayern ohne… Tracht? Nein, …ohne Weißbiergläser! Als wären wir ein Land der Säufer…
Bei meinen Münchner Kunden ist diese Problematik eher nicht gegeben. Hier ist es oftmals so, dass zwar Hochdeutsch, aber kein Dialekt gesprochen wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kinder zwar in Bayern/München geboren wurden, aber die Eltern „Zugereiste“ waren. Bewegen wir uns jedoch aufs Land, sieht die Sache oftmals schon anders aus. Und man stellt fest: Selbst innerhalb eines Bundeslandes werden gleich mehrere Dialekte gesprochen.
So gibt es einen Dialekt, der ganz ohne „k“ auskommt (Fränggisch), es gibt einen Dialekt, der sich anhört, als wenn Hunde wütend miteinander kommunizieren (Oberpfälzerisch), es gibt einen Dialekt, der so unverständlich ist, dass nur Bully Herbig ihn ungestraft in einem seiner Filme unterbringen darf (Niederbayrisch), es gibt das Oberbayrisch und sogar das Münchnerisch, das etwas eleganter daher kommt (wie könnt`s auch anders sein?). Innerhalb Deutschlands hat man es daher mit unzähligen Dialekten zu tun, dabei werden einigen Sympathien entgegengebracht, anderen dagegen weniger.
Es gibt diverse Studien zu der Frage, welches die beliebtesten Dialekte und welches die unbeliebtesten sind, und hier zeigt sich, dass sich diese Frage nicht immer einfach beantworten lässt, denn Dialekte polarisieren stark. So gehört Bayrisch zwar zu den beliebtesten Dialekten, aber auch mit zu den unbeliebtesten. Einigkeit gibt es wohl darin, dass Norddeutsch zu den sympathischsten Dialekten gehört, Sächsisch zu den unbeliebtesten.
Dialekte lösen Emotionen aus, und das ist einer der entscheidenden Gründe dafür, warum es wichtig ist, zwar seinen Dialekt nicht zu verlernen, denn er steht für regionale Identität und Zusammengehörigkeit, aber jederzeit in der Lage zu sein, aufs Hochdeutsche umschalten zu können.
Es geht also bei der Frage Dialekt – Hochdeutsch nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Ein gepflegtes Hochdeutsch gehört ebenso zur Job-Etikette wie angemessene Kleidung. Ein Dialekt unterstreicht die Andersartigkeit des Einzelnen, was zu Distanz führen und bestehende negative Gefühle auch noch verstärken kann. Und genau das ist der Grund, warum viele Menschen nicht befördert werden, obwohl sie die fachliche Qualifikation dazu hätten.
Immer mehr Unternehmen gehen daher dazu über, ihre Mitarbeiter in Sprachinstitute zu schicken. Das Fon Institut in Stuttgart z.B. hat mittlerweile vier Filialen, davon alleine drei in Stuttgart, was sicher kein Zufall ist, werden mit dem Schwäbischen doch einige negative Eigenschaften verbunden.
Vielen ist die Dringlichkeit, Hochdeutsch zu sprechen, gar nicht bewusst, daher kommen die meisten Menschen auch nicht von selbst auf die Idee, Hochdeutsch in einem Institut zu lernen, sondern werden geschickt – entweder von der eigenen Firma oder von Job-Coaches. So habe ich beispielsweise eine Kundin in den Dreißigern zu einer speziellen Logopädin geschickt, damit sie ihr Sächsisch loswird, da sie ohne Hochdeutsch in ihrem passenden Berufsumfeld keine Chancen haben wird.
Eine weitere Frage, die sich stellt ist: Muss jeder aus beruflichen Gründen Hochdeutsch sprechen können?
Die Antwort darauf ist „nein“, man muss nur die richtige Grenze ziehen. Ich würde gar nicht zwischen „einfachen“ Berufen und den anspruchsvolleren differenzieren wollen. Die Trennung liegt meines Erachtens da, wo Kundenkontakt herrscht. Wenn der Schreinergeselle ein so breites Bayrisch spricht, dass der norddeutsche Kunde in München ihn kaum versteht und immer wieder nachfragen muss, braucht sich der Betrieb nicht zu wundern, wenn dieser Kunde beim nächsten Mal eine andere Schreinerei beauftragt.
Sächsisch ist hochproblematisch, da immer noch starke Antipathien herrschen und die „Wessis“ auf die „Ossis“ gern herabsehen. Der einzige Kundenkontakt, wo es egal zu sein scheint, ob Dialekt gesprochen wird, scheint mir der in den Stadtverwaltungen zu sein, weil dort die Bürger hingehen müssen und nicht einfach die Wahl haben, zu einer anderen Behörde zu gehen.
Es ist eine Qualität, sowohl seinen Dialekt als auch ein gepflegtes Hochdeutsch zu sprechen, denn einerseits kann man seinem Gegenüber signalisieren „ich bin einer von Euch“, aber auch dem anderen Respekt entgegenbringen, indem man für alle sehr gut verständlich spricht. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Globalisierung. Wer einen starken Dialekt hat und dann auch noch Englisch mit den ausländischen Kunden seiner Firma sprechen soll, blamiert nicht nur sich selbst, sondern auch sein Unternehmen. Kein Wunder, dass die Unternehmen schon in Bewerbungsgesprächen darauf achten.
Forscher haben übrigens herausgefunden: Wer einen Dialekt und außerdem Hochdeutsch spricht, dem fällt es in der Regel leichter, Fremdsprachen zu lernen.
Wer – wie auch ich – aus dem Teil Deutschlands stammt, in dem ohnehin das beste Hochdeutsch gesprochen wird, tut sich natürlich leicht, hat aber auch das „Manko“, keinen der Dialekte zu sprechen. Wer dann versucht, krampfhaft in einem Dialekt zu parlieren, ohne ihn zu beherrschen, macht sich jedoch ebenso lächerlich. Ich bin sehr sprachtalentiert und auch noch mit einem waschechten Bayern verheiratet, aber ein flüssiges Bayrisch geht mir auch heute noch nicht über die Lippen. Also lasse ich es lieber und stehe dazu, dass ich jenseits des Weißwurstäquators aufgewachsen bin.