Einfühlungsvermögen, technisches Verständnis und handwerkliches Geschick sind wesentliche Voraussetzungen für eine Ausbildung zum Hörgeräteakustiker. Mathe und Physik sollte man auch mögen und obendrein gern mit Menschen arbeiten – dann steht der Tätigkeit in diesem abwechslungsreichen Beruf nichts mehr entgegen. Und die Berufsaussichten sind zudem glänzend.
Nach aktuellen Untersuchen hat etwa ein Viertel aller jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren einen Hörschaden. “Ohne Präventionsmaßnahmen wird ein Drittel der jungen Leute im Alter von 50 Jahren ein Hörgerät brauchen”, sagte Joachim Förster von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) im April 2013. Vielen seien Lärmgefahren oft nicht bewusst. Bei Konzerten, in Clubs oder mit MP3-Playern werde zu oft laute Musik gehört. Ein Grund, weshalb der Bedarf an Fachleuten für Hörhilfen weiter steigt. Hinzu kommt, dass die Menschen heute immer älter werden und das Hörvermögen im Alter entsprechend abnimmt. Und dann ist da noch der technische Fortschritt, der immer frühere und bessere Diagnosen ermöglicht.
Gleichzeitig sind Hörhilfen zu immer kleineren, immer leistungsfähigeren Geräten weiterentwickelt worden. Hörgeräte, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit den 1960er Jahren. Damals handelte es sich noch um einkanalige Analoggeräte, die hinter dem Ohr getragen wurden. Im Jahr 1966 kam das erste Im-Ohr-Hörgerät auf den Markt. Danach begann eine rasante Entwicklung von dreikanaligen Hörgeräten über digital programmierbare bis hin zu den heutigen volldigitalen Hörhilfen. Folglich musste das Berufsbild des Hörgeräteakustikers laufend an die technische Entwicklung angepasst werden.
Hörgeräteakustiker passen Hörsysteme an die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden an. Sie führen Hörtests durch, stellen Otoplastiken (Formpass-Stücke für Hörhilfen oder Gehörschutz) her und reparieren Hörhilfen. Sie beraten Kunden mit eingeschränktem Hörvermögen darüber, welche Arten von Hörhilfen für sie in Frage kommen. Dabei richten sie sich nach den Diagnosen von Fachärzten für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO).
Ob sie die besorgten Eltern eines Kleinkindes mit Hörschädigung vor sich haben oder einen unter Altersschwerhörigkeit leidenden älteren Menschen: Mit Einfühlungsvermögen und Taktgefühl stellen sich Hörgeräteakustiker auf die individuellen Wünsche und Bedenken ihrer Kunden ein, wissen bzw. erfragen deren unterschiedliche Bedürfnisse.
Moderne Hörsysteme sollen unproblematisch in Bedienung und Tragekomfort sowie entweder fast unsichtbar oder modisches Accessoire sein. Hörgeräteakustiker versorgen ihre Kunden darüber hinaus mit anderen Hilfsmitteln, z.B. mit Hörverstärkern für den Fernsehempfang oder Tinnitusgeräten (Tinnitus: Ohrgeräusch), die das störende Tinnitus-Geräusch mit einem Grundrauschen dämpfen.
Auf Grundlage der ärztlichen Diagnose führen Hörgeräteakustiker audiometrische (Audiometrie: Verfahren zur Vermessung von Höreigenschaften) Tests zum Hörvermögen ihrer Kunden durch, beispielsweise Hörtests oder Sprachhörtests. Mit Hilfe von Otoplastiken, stimmen sie die Passform der Ohrstücke von Hörgeräten wie auch Gehörschutzstöpsel individuell auf die Nutzer ab. Dazu nehmen sie einen Abdruck vom Gehörgang. Aus diesem Kunststoffabdruck fertigen sie eine Negativform, die sie mit Acryl befüllen. Den ausgehärteten Acrylabguss fräsen sie in Präzisionsarbeit zu und testen den Sitz des Gehörstücks direkt am Kunden. Abschließend passen sie die Otoplastik in ein fertiges Hörgerät ein und nehmen mithilfe spezieller Software die Feineinstellung vor.
Ist das Hörsystem angepasst, leiten Hörgeräteakustiker ihre Kunden in der Benutzung der Hörsysteme an. Da sich das Hörvermögen jedoch wandeln kann, ist es notwendig, die Hörhilfen regelmäßig neu auf die Bedürfnisse der Kunden hin zu überprüfen und ggf. erneut anzupassen. Auch warten und reparieren Hörgeräteakustiker Hörsysteme: In Präzisionsarbeit reinigen sie die empfindlichen Einzelteile, tauschen defekte Teile aus, wechseln Batterien oder stellen Funktionen neu ein.
Im Hörgerätefachhandel übernehmen Hörgeräteakustiker neben der Beratung von Kunden und der individuellen Anfertigung von Otoplastiken auch Aufgaben in Verkauf und Verwaltung.
Beispielsweise gestalten sie Verkaufsräume werbewirksam oder entwerfen Werbekampagnen für ihr Unternehmen. Zudem erledigen sie kaufmännische Arbeiten wie den Schriftverkehr oder die Rechnungsstellung an Kunden oder Krankenkassen und pflegen die Kundendaten mit den Messergebnissen von audiometrischen Tests oder den Maßen von Otoplastiken. Weitere Kundenkreise lassen sich erschließen, wenn sie – bei entsprechendem Fachwissen – im Hörgerätefachgeschäft z.B. Dienstleistungen im Bereich Augenoptik mit anbieten. Ebenso können sie in Unternehmen, die Hörsysteme entwickeln und herstellen, Fach- und Führungsaufgaben übernehmen.
Wie läuft die Ausbildung ab?
Hörgeräteakustiker ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach der Handwerksordnung. Die bundesweit geregelte 3-jährige Ausbildung wird in handwerklichen Betrieben angeboten. Diese stellen überwiegend angehende Hörgeräteakustiker mit einem mittleren Bildungsabschluss bzw. mit Hochschulreife ein. Hörgeräteakustiker werden im Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule ausgebildet.
Ausbildungsbetriebe, die vor Ort nicht alle Ausbildungsinhalte vermitteln können, nutzen in der Regel das überbetriebliche Angebot der Akademie für Hörgeräte-Akustik in Lübeck. Die überbetriebliche Ausbildung findet als 5-wöchiger Blockunterricht im 2. Lehrjahr statt.
Die Ausbildungsvergütung richtet sich überwiegend nach tarifvertraglichen Vereinbarungen. Ihre Höhe ist abhängig vom Ausbildungsbereich (Industrie und Handel, Handwerk u.a.) und von der Branche, in der die Ausbildung stattfindet, sowie vom räumlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages. Unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise wenn der Ausbildungsbetrieb nicht tarifgebunden ist, sind auch frei vereinbarte Ausbildungsvergütungen möglich.
1. Ausbildungsjahr: 365 – 526 Euro
2. Ausbildungsjahr: 420 – 561 Euro
3. Ausbildungsjahr: 480 – 634 Euro
Wie hoch ist der Verdienst?
Das Einkommen des Hörgeräteakustikers ist wesentlich von den jeweiligen Anforderungen abhängig. Daneben werden in der Regel Berufserfahrung und Verantwortlichkeit berücksichtigt.
Neben einer Grundvergütung werden teilweise Zulagen und Sonderzahlungen wie 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen gezahlt. Zudem gibt es auch regionale und branchenabhängige Einkommensunterschiede.
Die tarifliche Bruttogrundvergütung für Berufseinsteiger liegt nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bei durchschnittlich 2.150 Euro im Monat.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
Nach einer erfolgreichen Ausbildung und ersten Berufserfahrungen bieten sich Hörgeräteakustikern einige Qualifikationsalternativen:
Das Themenspektrum für eine Weiterbildung ist breit und reicht von Hörgeräteakustik und Elektronik über Qualitätsprüfung bis hin zu Kundenservice und Beschwerdemanagement. Auch wenn sich Hörgeräteakustiker auf Einsatzgebiete spezialisieren möchten, finden sie in Bereichen wie der Anpassung oder Instandhaltung und Reparatur von Hörhilfen entsprechende Angebote.
Wer sich das Ziel gesetzt hat, beruflich voranzukommen, kann ebenso aus einer Palette an Angeboten zur Aufstiegsweiterbildung auswählen. Naheliegend ist es, die Prüfung als Hörgeräteakustikermeister abzulegen. Auf Leitungs- und Spezialfunktionen, z.B. auf der mittleren Führungsebene, bereiten auch andere Weiterbildungen vor, wie beispielsweise Techniker der Fachrichtung Feinwerktechnik oder Medizintechnik.
Hörgeräteakustiker mit Hochschulzugangsberechtigung (z.B. Abitur oder auch Meistertitel) können studieren und beispielsweise einen Abschluss im Studienfach Hörtechnik oder Audiologie erwerben.
Wer sich selbstständig machen möchte, kann nach einer bestandenen Meisterprüfung einen eigenen Betrieb des Hörgeräteakustikerhandwerks eröffnen.
Quellen:
Bundesagentur für Arbeit
Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V.
Akademie für Hörgeräte-Akustik
Wikipedia
3sat
Vielen Dank für den Beitrag zum Hörgeräteakustiker. Meine Tante möchte ein Hörgerät, da sie sehr schlecht hört. Gut zu wissen, dass Hörgeräte immer kleiner und leistungsfähiger werden.
Meine Großmutter benötigt ein Hörgerät und ich wollte mich deswegen etwas informieren. Zwar dachte ich mir schon, dass die Hörgeräte schmaler und besser werden. Überrascht war ich, dass auch so viele junge Menschen zwischen 14 und 24 einen Hörschaden haben. Vielleicht sollte auch ich mich mal durchchecken lassen.
Meine Oma bekommt demnächst ein Hörgerät, da sie sehr schwer hört. Sie ist mit der heutigen Technologie nicht vertraut, weshalb ich sie unterstützen werde. Ich wusste nicht, dass das erste In-Ohr-Hörgerät bereits 1966 auf den Markt kam! Die Zeit fliegt…