Das Architekturstudium wird immer von jungen Leuten begonnen, die zwei Dinge miteinander kombinieren wollen: ein technisches bzw. naturwissenschaftliches Interesse und kreativ-künstlerisches Gestalten. Sehr viele merken schon im Studium, dass irgendetwas nicht stimmt und die Freude an dem Fach nicht so da ist wie vorher erhofft, die meisten halten jedoch durch, um sich selbst oder anderen zu beweisen, dass sie es schaffen, und um einen Abschluss vorweisen zu können zumal die Hoffnung in ihnen schwelt, dass es nach dem Studium schon besser wird. Das Gegenteil ist jedoch oftmals der Fall!
Während ich Jura und BWL in meinen Beratungen durchaus empfehle, weil es eben doch Abiturienten gibt, für die BWL sehr gut passt oder die für Jura die Begabung mitbringen, gehört das Architekturstudium zu den wenigen Fächern, bei denen ich rate, die Finger davon zu lassen. Die Gründe sind vielfältig und beziehen sich auf das Studium selbst, aber vor allem auf das anschließende Arbeitsleben.
Viele sind überrascht, wie technik-lastig das Studium ist, denn es hat sie eher der Traum getrieben, „schöne Häuser zu zeichnen“ und sich „an Architektur zu erfreuen“. Dass aber viel Tragwerkslehre dabei ist, ebenso Bauphysik, Bauchemie und Baustoffkunde, und dass man sich auch noch mit Heizung, Lüftung, Wasser und Elektrotechnik auskennen muss, haben nur wenige auf dem Zettel. Das verwundert ein bisschen, denn mit etwas gesundem Menschenverstand muss jedem klar sein, dass ich nicht ein Haus entwerfen kann, das hinterher in sich zusammenfällt und in dem weder Wasserleitungen noch eine Heizungsanlage zu finden sind…
Die allermeisten sind unangenehm überrascht, wie extrem arbeitsintensiv das Studium ist. Die Professoren ziehen ständig Projekte an Land, die die Studenten abarbeiten müssen – Nachtschichten sind an der Tagesordnung, und zwar dauerhaft. Zeit für Freunde, für Familie, Hobbys oder für sich selbst ist kaum noch vorhanden. Viele Beziehungen gehen unter diesem Studium kaputt, weil sich manche Paare, die nicht zusammen wohnen, teilweise über Wochen nicht sehen.
Aufpassen muss man auch, an welcher Hochschule man wie lange studiert, denn wer irgendwann einmal selbständig arbeiten möchte, muss in der Architektenkammer eingetragen sein. Um die Kammerfähigkeit zu erlangen, muss man mindestens vier Jahre studiert und zwei Jahre Berufserfahrung haben. Ich empfehle grundsätzlich die Variante drei Jahre Bachelor und zwei Jahre Master, denn fünf Jahre Studium sind internationaler Standard. Und wer einen spezialisierten Masterstudiengang belegen möchte, sollte sich vorher erkundigen, ob hier dann auch die Kammerfähigkeit gegeben ist, denn wenn die Architektenanteile zu gering sind, ist das nicht der Fall.
Die Studenten müssen allerdings nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld in ihr Studium investieren, denn sie müssen das Material für Modelle, Zeichenprogramme und Arbeitsgeräte selbst bezahlen. Pro Semester kommen da schnell ein paar Hundert Euro zusammen.
Man braucht Durchhaltevermögen und vor allem ein dickes Fell. Für sensible Menschen, die empfindlich auf Kritik reagieren, ist dieses Fach geradezu toxisch. In jedem Entwurf stecken viel Hirnschmalz, Hingabe und viele Stunden Arbeit. Wenn dann der Dozent sagt, dass dieser Entwurf nichts taugt, muss man das gut wegstecken können.
Man sollte sich also vorher sehr gut überlegen, ob man diese Nachteile wirklich in Kauf nehmen will, denn es gibt andere Studiengänge, die ebenso Technik und Kunst vereinen, aber spannender sind, weniger Nerven kosten und im Arbeitsleben mehr Zeit für Privates und mehr Geld einbringen.
Es wird im Arbeitsalltag jedenfalls nicht besser! Einen Job nach dem Studium zu bekommen, stellt nicht das große Problem dar. Die Arbeitsbedingungen schon eher. Um mal ein weit verbreitetes Gerücht aus dem Weg zu räumen:
Das Studium mag noch recht kreativ sein, das Arbeitsleben ist es nicht mehr! Alle Architekten, mit denen ich im Laufe der Jahre gesprochen habe – und das waren nicht wenige – beziffern den kreativen Anteil ihrer Arbeit auf ca. 10-15 Prozent. Die restliche Zeit geht drauf für:
- das Einreichen von Bauanträgen und das Verhandeln mit den oft unmotivierten und nicht unternehmerisch denkenden Beamten der Verwaltung
- die Arbeit auf den Baustellen, wo man sich im schlimmsten Fall mit dem Subunternehmer des Subunternehmers des Subunternehmers und den rumänischen Arbeitern, die kein Deutsch verstehen, herumärgern muss (bei Großbaustellen keine Seltenheit… Aber auch beim Eigenheimbau gibt es immer wieder Probleme mit den einzelnen Gewerken, bei denen der eine dem anderen die Schuld in die Schuhe schiebt, warum was nicht klappt.)
- Ausschreibungen, an denen man teilnehmen muss, ohne zu wissen, ob man überhaupt eine Chance mit seinem Vorschlag hat
Der Job des Architekten erfordert daher viel Organisations- und Improvisationstalent, denn nur ein verschwindend geringer Bruchteil an Architekten entwirft spektakuläre Bauten. Viele finden sich als Bauleiter auf Baustellen wieder oder arbeiten in Immobilienbüros. FH-Absolventen verdienen übrigens mehr als Uni-Absolventen.
Das größte Problem sehe ich jedoch in dem enormen Arbeitsaufwand, den Architekten haben. Überstunden und Nachtschichten sind nicht nur vorrübergehend hinzunehmen, sondern ein dauerhafter Zustand bei vergleichsweise mäßigem Einkommen. Viele steuern auf einen Burn-out zu oder haben ihn bereits hinter sich, und wer feststellt, dass er diesem Stress nicht mehr gewachsen ist, muss sich entweder auf Nischen spezialisieren wie Energieberatung oder Feng Shui, um nur zwei Beispiele zu nennen, oder er muss dem Feld ganz den Rücken kehren.
Im Ausland sieht das nicht viel besser aus. Eine meiner Kundinnen, tätige Architektin, wollte neben ihrer Arbeit ihr großes Hobby leben: Wellenreiten. Daher hat sie nicht nur an der TU München studiert, sondern auch zwei Jahre auf Hawaii, um ein paar Mal wöchentlich nach der Uni zum Strand zu fahren. Sie hatte dort auch ein super Leben und kehrte daher nach ihrem Diplom in Deutschland wieder nach Honolulu zurück. Doch nach einem Jahr erfolgreicher Arbeit musste sie einfach feststellen, dass es mit dem immens hohen Arbeitsaufwand niemals besser werden wird. Ein Job, der sich mit Familiengründung nur schwer vereinbaren lässt. Hinzu kam, dass ihr das Studium zu wenig kreativ war, denn Architekten können nicht so viele eigene Ideen in die Tat umsetzen, sondern müssen den Spagat finden zwischen ihren Ideen und den Vorstellungen des Kunden, der ihre Kreativität erheblich einschränkt. Jetzt wird sie mit meiner Hilfe andere Wege gehen.
Welche Alternativen gibt es überhaupt? Ich würde ein wenig differenzieren wollen zwischen einem abgebrochenen Architektur-Studium und einem beendeten. So können bei einem abgebrochenen Studium der Architektur Fächer wie Game Design / Animation oder Industriedesign interessante Alternativen sein. Beispielsweise bietet die Fachhochschule Kaiserslautern den künstlerischen Studiengang Virtual Design an, der Architektur, Innenarchitektur und Produktdesign mit den neuen Medien verbinden soll. Wem das zu viel PC-Arbeit ist, der kann mit Industriedesign glücklicher werden. Hierzu gehören alle Produkte außer Mode, Textil und Schmuck, also Möbel, Lampen, Taschen, Schuhe, Haushaltsgeräte u.a.
Bei einem beendeten Architektur-Studium kann ein anschließender spezialisierter Studiengang Erneuerbare Energien eine interessante Zusatzqualifikation darstellen oder ein Ingenieurstudiengang, mit Hilfe dessen man anschließend z.B. „Gewebe“ für Fassadenverkleidungen entwickelt. Mit den entsprechenden Ideen gibt es genügend reizvolle Alternativen.