Der SIT-Studium-Interessentest

Der SIT-Studium-InteressentestMit Hilfe eines Online-Tests das Traumstudium finden? Toll, das klingt super, das muss ich ausprobieren! Der SIT Studium-Interessentest verspricht, dass das Ganze nur 15 Minuten dauern wird. Klasse für die Mittagspause! Also los: Hält der Test, was er verspricht? Ein Selbstversuch.

Als Fan der ZEIT und des Studienführers bin ich sehr gespannt, wie dieser Test aufgebaut ist und ob die Ergebnisse tatsächlich belastbar und interessant sind. Von Persönlichkeitstests hatte ich als Personaler schon nichts gehalten und als Berufsberater konnte ich mit den Tests, die sich hier auf dem Markt tummeln, schon gleich gar nichts anfangen – was der Grund dafür war, selbst Tests für unsere Zielgruppe zu entwickeln.

Nun also zum SIT-Test: Es gibt 72 Fragen zu beantworten und der SIT basiert auf dem in der Interessenforschung etablierten Modell von John Holland. Das hört sich schon mal nicht schlecht an, da meine Erfahrung ist, dass alles, was von John Holland abgeleitet ist, noch am ehesten für die Praxis verwendet werden kann.

Der Test ist anonym, was ich ebenfalls angenehm finde, dennoch muss ich mich registrieren, was mir weniger schmeckt. Es gibt einen Link zu der Frage, warum man sich registrieren soll, aber die Antwort ist die gleiche wie schon im Registrierungsfeld: damit man auch alle Features nutzen kann. Also keine neue Erklärung… Das kann man besser machen, ist aber auch etwas „Korinthenkackerei“ von mir, zugegeben.

Zu den Fragen: Sie sind knapp und verständlich gehalten (z.B. „ich würde gerne Maschinen oder Werkzeuge mit Motor bedienen“, „ich würde gerne eine neue Programmiersprache lernen“ oder „ich würde gerne etwas restaurieren“), antworten kann man auf einer Skala von null bis hundert Prozent. Das finde ich gut, weil dann Abstufungen besser berücksichtigt werden können, als bei reinen ja / nein-Antworten. Ich benötige für den gesamten Test weniger als 15 Minuten, was aber sicher daran liegt, dass mein Vorstellungsvermögen aufgrund meiner langen Berufserfahrung besser ist als bei einem ganz jungen Menschen und ich sehr genau weiß, was mir Spaß macht und was nicht.

Das Ergebnis ist dann auch keine Überraschung für mich: die wirtschaftlich-unternehmerischen Interessen sind am stärksten ausgeprägt, gefolgt von den kreativ-kulturellen Interessen. Bei den technisch-praktischen Interessen hingegen suche ich den grünen Balken vergeblich. Was ich hier ganz gelungen finde, ist, dass ich nicht nur die Durchschnittswerte im Vergleich zu meiner Altersgruppe sehe (ich habe mich mal eben auf 20 Jahre verjüngt :-)), sondern ich sehe auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede. Diese Idee gefällt mir gut!

Der Nachteil dieser Vergleichstests liegt allerdings auch auf der Hand: es gibt eben auch Jugendliche, die sehr wenig Interessen haben. Diese Zielgruppe wird stets unter der Vergleichsgruppe liegen; und auch noch schwarz (genauer: grün) auf weiß zu sehen, dass man überall nur unter dem Durchschnitt liegt, ist auch nicht gerade aufbauend für das Selbstbewusstsein. Das ist der Hauptgrund, warum ich mich in meiner Arbeit als Berufsberaterin gegen diese Art Tests entschieden habe.

Neben dem Interessenprofil gibt es dann noch die Auflistung der Studienangebote mit den Hochschulen. Das macht bei mir mal eben 52 Seiten à 20 Studiengänge; ich komme also auf insgesamt 1.035 in Frage kommende Studiengänge, die ich mir nun etwas genauer anschaue. Dabei gibt es einen, der eine Hundertprozentige Übereinstimmung hat, den ich aber definitiv nicht studieren würde.

Die darunter folgenden mit je 90 Prozent Übereinstimmung klingen im Großen und Ganzen nicht so verkehrt. Hier gibt es ein paar Ausrutscher wie Technische Betriebswirtschaft (wir hatten ja vorher schon festgestellt, dass ich bei Technik keinen grünen Balken hatte), Informatik (wie kommt man denn da drauf?) oder International Wine Business. Das ist der Nachteil aller Online-Tests: es gibt kein persönliches Gespräch! Denn in diesem Gespräch wäre festgestellt worden, dass Zahlen nicht mein Ding sind, schon gar nicht der Umgang nur mit 1 und 0, und dass ich keinen Alkohol trinke, und wenn ja, dann nur in homöopathischen Dosen. Die Vorstellung, ständig Weinproben zu machen und permanent am Alkohol zu nippen, ist noch schlimmer als der Umgang mit Zahlen…

Für meinen Geschmack ist mir zu viel Journalismus und Unternehmenskommunikation sowie zu viel reines BWL unter den Vorschlägen. Doch wenn man sich die Mühe macht, ein paar Seiten weiter zu klicken, sind genau die (ungewöhnlichen!) Studiengänge dabei, die ich, wäre ich heute in dem Alter, das ich beim Test vorgab, auch tatsächlich studieren würde. Es wurden viele Hochschulen berücksichtigt, die „Otto Normalverbraucher“ gar nicht kennt, private wie staatliche. Über einen Link kommt man direkt auf die Informationen der Hochschule mit den Kontaktdaten und ebenso unkompliziert wieder zurück auf die Ergebnisliste. Warum ich so etwas Banales erwähne? Weil das nicht selbstverständlich ist!

Leider beschränkt sich dieser Test nur auf die Interessen, nicht aber auf die Fähigkeiten. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die man genauer analysieren und differenziert betrachten muss.

Daher arbeiten wir in der Beratung mit anderen Tests. Und was keiner dieser Test ersetzen kann, ist das persönliche, intensive Gespräch und die korrekte Analyse mit den anschließenden passgenauen Vorschlägen und der Berücksichtigung der einzelnen Hochschulen, die nicht alle auf jeden Bewerber passen. Dafür gibt es dann immer noch uns! 🙂

Aber: Ein Test ist kein Test – also hat meine PR-Mitarbeiterin den SIT auch noch gemacht – mit einem relativ ernüchternden Ergebnis: Es wurden auch ihr unglaublich viele BWL-Studiengänge vorgeschlagen, obwohl sie Zahlen und Daten überhaupt nicht mag. Und obwohl sie bei Fragen zu Medien, Texte verfassen und Sprachen ganz hohe Prozentwerte eingegeben hatte, kamen keine passenden Studiengänge. Stattdessen fand auch sie einige Informatik-nahe Studiengänge, und als kreatives Fach ausgerechnet „Modedesign“. Politikwissenschaft, Germanistik, Romanistik, Medienwissenschaft… all das kam in den Testergebnissen leider nicht vor.

Überhaupt waren geisteswissenschaftliche Studiengänge mehr als unterrepräsentiert. Zwar findet sich im Interessenprofil folgender Satz: „Personen, die sich stark für das Kreativ-Kulturelle interessieren, können in Studienbereichen wie Kunst, Musik und Design, Journalistik, Literatur und Sprachen oder auch Architektur und Umweltgestaltung passende Herausforderungen finden.“ Nur wurden dafür geeignete Studiengänge leider kaum angezeigt.

Stattdessen hatte sie die höchsten Punkte bei den wirtschaftlich-unternehmerischen Interessen. Das wiederum liegt an einer einzigen Eigenschaft, die auch explizit im Testergebnis benannt wird: „Personen mit stark ausgeprägten wirtschaftlich-unternehmerischen Interessen zeichnen sich durch eine erfolgs- und zielorientierte Denk- und Arbeitsweise aus.“ Das ist soweit richtig, aber mit dieser Eigenschaft bzw. Denk- und Arbeitsweise kann man auch wunderbar andere Dinge studieren. Meine Kollegin, die im wahren Leben übrigens Germanistik, Politikwissenschaft und Medienwissenschaft studiert hat, wäre mit den wirtschaftswissenschaftlichen Empfehlungen jedenfalls ziemlich unglücklich geworden…

Fazit: Das kann ein guter Einstiegs-Test für junge Leute sein, um eine Vorstellung davon zu bekommen, in welche Richtung es zumindest mal gehen könnte und um eine Beschäftigung mit den einzelnen Studiengängen zu beginnen. Das kann aber auch, wie bei meiner Kollegin, ganz fürchterlich daneben gehen. Und was dieser Test ebenfalls nicht berücksichtigt, aber das wäre an dieser Stelle auch zu viel verlangt, ist die Frage, ob es nicht Sinn macht, vor dem Studium eine Ausbildung abzuschließen und wenn ja, welche die passende sein kann.

Im Vergleich zum GEFA-Test, der in vielen Münchner Gymnasien angeboten wird und der mehr als drei Stunden dauert, ist der SIT mit 15 Minuten kürzer, kostenlos (!) und nennt auch noch die infrage kommenden Hochschulen. So gesehen ist der SIT die wesentlich bessere Alternative zum GEFA-Test, ersetzt aber bei weitem keine fundierte Berufsberatung, wie die von Schaake & Friends.

Bildnachweis: © Mila Supinskaya – Shutterstock.com

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