Viele Firmen tun sich schwer, gute Mitarbeiter zu finden, und die Gründe hierfür sind vielschichtig. Hat es früher ausgereicht, Stellenanzeigen in einschlägigen Zeitungen oder Fachmagazinen aufzugeben, so führt das heute kaum noch zum Erfolg – jedenfalls nicht im Ingenieursbereich oder bei hochqualifizierten Fachkräften. Die Unternehmen müssen sich etwas einfallen lassen.
Anlässlich der Feier zu meinem 30. Abitur-Jahrestag führte ich nicht nur gelöste, entspannte und lustige Gespräche mit meinen früheren Jahrgangskollegen, sondern vereinzelt auch ernstere. Da wir zur Babyboomer-Generation gehören, waren wir damals 92 Abiturienten, und knapp 70 von ihnen waren zur Feier gekommen. Die meisten hatten studiert, viele auch eine schöne Karriere hingelegt. Manche von uns hatten Führungspositionen inne, zu deren Aufgaben es auch gehörte, gute Leute für das Unternehmen zu finden. Ich bin zwar Berufsberaterin, habe davor aber als Headhunterin gearbeitet und wurde nun von meinen früheren Klassenkameraden gefragt, welche Möglichkeiten sie hätten, gutes Personal zu finden. Tja… Das ist gar nicht immer so einfach, vor allem, wenn sich der Sitz des Unternehmens nicht in oder in der Nähe einer schönen Großstadt befindet, sondern in für viele Menschen eher unattraktiven Gegenden wie z.B. in den ländlichen und langweilig anmutenden Weiten Niedersachsens, wo es von Reiterhöfen und Agrarbetrieben nur so wimmelt. Wenn hier Technologieunternehmen Spitzenkräfte suchen, wird es richtig schwierig.
Ein probates Mittel bei der Suche nach dem passenden Mitarbeiter war lange Zeit tatsächlich der Einsatz von Headhuntern, was auch durchaus seine Berechtigung hat. Es gibt gute Gründe, die Suche Profis zu überlassen und nicht der eigenen Personalabteilung. Während es ungeschriebenes Gesetz ist, dass ein Unternehmen nicht in anderen Firmen wildert, dürfen Headhunter das ungeniert tun. Und sie sind aus ganz logischen Gründen damit erfolgreicher als Anzeigen es je sein könnten.
Mit Anzeigen erreiche ich nur diejenigen, die ohnehin schon die Augen offen halten und auf „dem Sprung“ oder bereits arbeitssuchend sind, weil sie freigestellt wurden oder ihren Job gekündigt haben.
Als Headhunter kann ich jedoch ganz gezielt in bestimmten Unternehmen Mitarbeiter ansprechen, die noch gar nicht an Wechsel gedacht haben, weil sie eigentlich mit ihrem Job zufrieden sind und sich aus diesem Grund gar keine Stellenanzeigen anschauen. Lediglich 10 Prozent der von mir kontaktierten Personen haben mir damals zu verstehen gegeben, dass sie derzeit an einem Wechsel nicht interessiert seien, 90 Prozent hatten jedoch Interesse, sich zumindest anzuhören, was ich ihnen zu bieten hatte. 90 Prozent, die ich mit einer Anzeige nie erreicht hätte!
Und selbst diejenigen, die über einen Arbeitsplatzwechsel nachdenken und daher Stellenanzeigen regelmäßig studieren, erreiche ich mit einer Anzeige nicht automatisch, denn viele haben auch Angst, eine Bewerbung zu verschicken. Wissen sie doch nicht, wer diese Bewerbung in die Hände bekommt und ob der eigene Chef nicht in Kürze über Umwege erfährt, dass man wechselwillig ist. Als Headhunter kann er sich jedoch auf meine Diskretion verlassen, aus der Deckung kommen und sich öffnen.
Doch auch wenn Headhunter in Zukunft weiterhin unverzichtbar sein werden, so sind sie nicht das Allheilmittel für alle Personalnöte.
Schwierig wird es zum Beispiel mit den Ingenieuren. Sie sind Menschen, die Sicherheit brauchen, Klarheit schätzen und die für Veränderungen nicht so einfach zu bewegen sind. Diese Zielgruppe ist einerseits sensibel und andererseits sehr begehrt, da herausragende Ingenieure an allen Ecken und Enden fehlen. Das macht es so schwer. Oft reagieren sie genervt, da sie mit Anfragen überschwemmt werden. Daher reicht der Einsatz von Headhuntern nicht aus, sondern die Firmen müssen sich grundlegende Konzepte überlegen, wie sie attraktiver werden.
Vor allem für mittelständische Unternehmen wird es immer wichtiger werden, sehr frühzeitig qualifizierten Nachwuchs an sich zu binden.
Was für Unternehmensberatungen jahrelang business as usual war, nämlich Kontakte zu den Professoren an den Hochschulen zu halten, um die besten Absolventen schon vor deren Abschluss an sich zu binden, wird für den Mittelstand in Zukunft ebenso wichtig werden. Auch Sponsoring von Projektarbeiten, die Vergabe von Stipendien, die Betreuung von Abschlussarbeiten und die Vergabe von Werkstudentenplätzen sind hier hilfreich. Die Sicherheitsorientierung der Ingenieure in Verbindung mit Ihrer mangelnden Begeisterung für Veränderungen, die man als nachteilig bezeichnen könnte, kann sich so auch zum Vorteil auswachsen. Denn interessante Unternehmen, die ihren Mitarbeitern ein attraktives und respektvolles Umfeld bieten, brauchen weniger zu fürchten, ihre besten Leute zu verlieren und steigern ihre Chancen, über das Anwerben durch ihre eigenen Mitarbeiter gute Leute zu finden.
Was macht nun einen attraktiven Arbeitgeber aus? Während es früher für Unternehmen ausreichen mochte, mit ein paar Scheinen zu wedeln und Mitarbeiter mit mehr Gehalt zu ködern, funktioniert dieses Verfahren immer weniger. Und welches Unternehmen will schon Mitarbeiter haben, die nach einiger Zeit wieder zum nächsten gehen, nur weil da noch mehr Geld geboten wird? Vor allem, wenn die Gefahr besteht, dass sensibles Wissen mitgenommen wird. Also müssen Unternehmer ihren Mitarbeitern und potenziellen Kandidaten ein attraktives Umfeld bieten. Das gilt umso mehr für Firmen, die der Endverbraucher vom Namen her nicht kennt und noch mehr für solche, die einen geografischen Standortnachteil haben.
Attraktiv ist ein Unternehmen dann, wenn es das bietet, was sich der Arbeitnehmer wünscht, was ihm wichtig ist oder was ihn positiv überrascht.
Nur ist vielen Unternehmen bzw. deren Entscheidern vermutlich nicht bewusst, was sie attraktiv machen könnte. Der Grund liegt oftmals in einer Art Generationenkonflikt, von dem insbesondere Mittelständler oder eigentümergeführte Unternehmen betroffen sind. Hier ist vielfach noch die „alte Generation“ am Ruder, für die oftmals andere Werte zählen als für die Jungen. Für die Alten ist Geld wichtig, weil Geld für sie Sicherheit bedeutet – ein nicht zu unterschätzender Aspekt der Nachkriegsgeneration. Aber diese Zeiten sind vorbei: Sicherheit gibt es ohnehin keine, die Technologisierung schreitet so schnell voran, dass wir davon selbst überrollt werden und kaum noch nachkommen. Darüber hinaus benötigen wir heute ein ganz anderes emotionales Rüstzeug als früher und auch viel Flexibilität, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.
Unterhält man sich mit den jungen Menschen darüber, was Ihnen später im Job wichtig wäre, steht Geld nur selten an erster Stelle.
Die junge Generation von heute ist in einem anderen Wohlstand aufgewachsen und etwas satter als wir es in dem Alter waren. Sie ist aufgeklärter und sensibler, was Ökologie und Nachhaltigkeit angeht, und viele wollen etwas Sinnvolles für Mensch und Umwelt tun. Damit rücken Branche, Unternehmen und deren Produkte mehr in den Vordergrund. Firmen, die ethisch und ökologisch handeln und über Nachhaltigkeit nicht nur reden, sondern sie auch leben, sind durchaus im Vorteil.
Weiterhin wird zunehmend Wert auf ein ästhetisch ansprechendes Arbeitsumfeld gelegt. Einer meiner Kunden arbeitet als externer Consultant derzeit für einen großen Automobilhersteller im Premiumsegment. Hier wird auf die Innenausstattung der Fahrzeuge unglaublich viel Wert gelegt – auf die Innenausstattung der Mitarbeiter-Büros jedoch überhaupt nicht, und mein Kunde hat jeden Morgen das Gefühl, „in einen Knast zu kommen“.
Diese lieblose Umgebung schlägt sich auch auf die Gemüter der Mitarbeiter nieder, die eher lustlos ihre Arbeit herunter schrubben und den Feierabend herbeisehnen.
Wohlgemerkt: Wir reden hier nicht über Arbeiter am Fließband, sondern über hochqualifizierte und teuer bezahlte Fachkräfte. Diese Erfahrung wird er sicher nicht wieder machen. In unseren Gesprächen habe ich ihn ermutigt, sich zukünftig die Räumlichkeiten seines potenziellen Arbeitgebers zeigen zu lassen, wenn die Verhandlungen ernster werden. Sollte dieser der Bitte nicht nachkommen, wird mein Kunde sich anderweitig orientieren. Er kann es sich leisten…
Für die meisten Firmen bedeutet das ein Umdenken in Bezug auf die Rekrutierung guter Mitarbeiter. Obwohl der Begriff „Fachkräftemangel“ bereits ausgelutscht zu sein scheint, so lange wie schon darüber schwadroniert wird: Viele Firmen in Deutschland machen immer noch den Eindruck, als würde eher gejammert werden, statt die Probleme mit Ideen, Willen und Kreativität zu lösen.
Das können z.B. Firmenfahrzeuge für Azubis sein, wenn das Unternehmen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen ist, speziell ausgestattete Räumlichkeiten für sportliche Aktivitäten oder Ruheräume mit Massagesesseln, die in der Mittagspause genutzt werden können, Yogaangebote, firmeneigene Kitas, jährliche Gewinnbeteiligungen für die Mitarbeiter, flexible Arbeitszeiten (damit ist nicht Gleitzeit gemeint!), eine moderne Kantine, die nicht das übliche, ungesunde Einerlei anbietet, sondern Bioprodukte aus der Umgebung verwendet und sich auch vor veganen Gerichten nicht scheut, der Verzicht auf befristete Verträge und, und, und. Die Liste könnte noch endlos weiter gehen.
Sicher, all das ist mit Investitionen verbunden, aber die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter und der Erfolg beim Rekrutieren von Neuen werden dafür sorgen, dass sich diese Investitionen schnell amortisieren. Wer wirklich will, findet Wege, wer nicht will, findet Ausreden…